Initiative Handlungssicherheit
Initiative Handlungssicherheit
Wir sind eine bundesweite Initiative pädagogischer Fachkräfte und Juristen. Angesichts der in der Erziehung offensichtlichen Grenzen der Juristerei („unbestimmter Rechtsbegriff Kindeswohl“) entwickeln wir integriert fachlich- rechtliche Lösungen für den Alltag professioneller Erziehung im Sinne einer praxisgerechten Konkretisierung des „Gewaltverbots“ und damit des unklaren Begriffs „Kindeswohl“. Dieser spannenden Herausforderung stellen wir uns zunächst mit Handlungsleitsätze der Erziehungshilfe. Im Laufe der Zeit werden aber weitere wichtige Ergebnisse und Texte hinzukommen, etwa zum inittierten „Fachdiskurs“ mit Startveranstaltung. Für uns ist es wichtig, die Rechte der in der Jugendhilfe betreuten Kinder und Jugendlichen durch gestärkte Handlungssicherheit verantwortlicher Fachkräfte und zuständiger Behörden zu sichern. Diese „Kindesrechte“ dürfen bei notwendigen Grenzsetzungen nicht verletzt werden. Sie sind durch fachlich legitimes und rechtmäßiges Handeln zu respektieren, dessen Rahmen wir in den Handlungsleitsätzen orientierungshalber beschreiben.
Mit diesen 10 Grundaussagen begegnen wir der beschriebenen Herausforderung:
- Wir gestalten eine Brücke im Spannungsfeld Pädagogik – Kindesrechte.
- Unser Ziel: Stärkung des Kindesschutzes und der Handlungssicherheit durch fachlich legitimes/ begründbares Handeln der Pädagog*nnen in schwierigen Situationen des Erziehungsalltags sowie durch fachlich und rechtlich nachvollziehbare Entscheidungen zuständiger Behörden (Jugendamt/ Landes-, Schulaufsicht).
- Fachlich legitim/begründbar ist das Handeln, das aus der Sicht einer gedachten neutralen Fachkraft (Perspektivwechsel) geeignet ist, ein pädagogisches Ziel der Eigenverantwortlich- keit und/ oder der Gemeinschaftsfähigkeit zu verfolgen (§ 1 Sozialgesetzbuch VIII/ SGB VIII). Bei einer physischen Grenzsetzung (z.B. am Arm fassen, um ein pädagogisches Gespräch fortzuführen) ist zusätzlich die Frage zu stellen, ob das Handeln „angemessen“ ist, das heißt geeignet und verhältnismäßig. „Verhältnismäßig“ bedeutet, dass keine andere physische Grenzsetzung in Betracht kommt, die weniger intensiv in das Kindesrecht eingreift. Und: nur wenn eine vorherige verbale Grenzsetzung zeitlich unmöglich oder erfolglos war, ist die physische Grenzsetzung „angemessen“, das Handeln fachlich legitim/begründbar.
- Ist Handeln fachlich legitim/begründbar, entspricht es dem Kindeswohl. Wir verbinden dies mit dem Anspruch bestmöglicher Wirksamkeit: mit der prognostischen Wahrscheinlichkeit, dass ein pädagogischen Ziel erreicht wird.
- Wir stellen fest, dass die Erziehungswissenschaft und die Rechtsordnung derzeit keine Antworten bieten, welches Handeln dem Kindeswohl entspricht. Wir konkretisieren daher den „unbestimmten Rechtsbegriff Kindeswohl“, indem wir die Pädagogik und das Recht in diesem Kernsatz integrativ verbinden: in der Erziehung kann nur fachlich legitimes/begründbares Handeln rechtmäßig sein.
- Wir stehen mit diesem Kernsatz im Spannungsfeld Pädagogik – Kinderrechte für ein neues Kindeswohlverständnis der Pädagog*innen und Behörden. Zur Abgrenzung fachlich legitimen/ begründbaren Handelns von Machtmissbrauch (unzulässiger Gewalt) bieten wir fachlich- rechtlich integrative Prüfschemata an, die auch in familiärer Erziehung unterstützen können.
- Wir erkennen einen gesellschaftlichen Doppelauftrag in der Erziehung, unterscheiden Zwang als pädagogische Grenzsetzung und Zwang im Rechtsinstitut der „Gefahrenabwehr“.
- Die Gefahrenabwehr beinhaltet die Befugnis, bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung des/r Kindes/Jugendlichen in ein Kindesrecht einzugreifen, z.B. bei einem körperlichen Angriff auf andere durch Festhalten in das Recht der körperlichen Unversehrtheit. Von „akuter Eigen- oder Fremdgefährdung“ ist auszugehen bei gegenwärtiger Lebensgefahr oder schwerwiegender Gesundheitsgefahr des/r Kindes/Jugendlichen selbst oder einer anderen Person. Die Reaktion darauf muss geeignet und verhältnismäßig sein („rechtfertigender Notstand“ im Strafrecht). Eine Eignung ist erst mit pädagogischer Aufarbeitung der Gefahrenabwehr- Situation gegeben und „Verhältnismäßigkeit“ setzt voraus, dass keine andere Maßnahme in Betracht kommt, die weniger intensiv in das Kindesrecht eingreift. Im Ergebnis liegt im Falle der rechtlich zulässigen Gefahrenabwehr keine Kindesrechtsverletzung vor.
- In der Abgrenzung zum Machtmissbrauch/ Gewalt halten wir die Reflexion der Pädagog*innen und zuständigen Behörden in drei aufeinander aufbauenden Stufen für unentbehrlich:
- erste Stufe der persönlichen Haltung: Welches Handeln entspricht meiner pädagogischen Haltung?
- zweite Stufe der fachlichen Legitimität: ist mein Handeln geeignet, ein pädagogisches Ziel der Eigenverantwortlichkeit und/oder Gemeinschaftsfähigkeit zu verfolgen?
- dritte Stufe der rechtlichen Zulässigkeit: liegt die Zustimmung Sorgeberechtigter vor, sei es weil für sie vorhersehbar gehandelt wird oder sie ausdrücklich zustimmen? Im Falle fachlicher Illegitimität lautet die Frage: wird auf eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung des/r Kindes/ Jugendlichen reagiert (Gefahrenabwehr)? Ist dies zu bejahen, ist das Handeln auch ohne die Zustimmung Sorgeberechtigter rechtmäßig.
- Zur Stärkung des Kindesschutzes und der Handlungssicherheit der Pädagog*innen sowie der zuständigen Behörden empfehlen wir Handlungsleitsätze, die in einem „Fachdiskurs legitimes Handeln“ entwickelt werden, ausgerichtet auf Grenzsetzungen in schwierigen Situationen des Erziehungsalltags. Diese sollen im Rahmen fachlicher Legitimität und rechtlicher Zulässigkeit Orientierung bieten, unter anderem in der Erziehungshilfe des SGB VIII.
Die Grundsätze basieren auf den Erziehungsgrenzen, wie diese bereits Kant beschrieben hat: die Einschränkung der Freiheit ist nur in dem Maße gerechtfertigt, wie sie sich im Interesse zukünftiger Freiheit (Selbständigkeit) als erforderlich erweist.
Kontakt
Initiative Handlungssicherheit
Bachstraße 18
40822 Mettmann
Martin Stoppel
Telefon: 0210441646
E-Mail: martin-stoppel@gmx.de
Internet: www.paedagogikundrecht.de